§ 8. Verbreitung der Menschen auf der Erde. 15
der wahren Wissenschaft. Satyavrata kommt auch unter dem Namen Satyavraman vor. Von diesem wird die Geschichte der Verspottung seines Sohnes, wie von Cham, erzählt, und hier tritt selbst die Ähnlichkeit der Namen der Söhne ein, denn die heiligen Bücher der Indier nennen sie: S ch e r m a, C h a r m a und I y a p e t i r.
In Persien wird der Berg Arlrat heute noch Koh-Nu: Berg des Nuh genannt. Die Perser selbst setzen in die Zeit des Noah einen ihrer drei vornehmsten Patriarchen, Dschemschid, den sie mit einem Wnnder-becher begaben. Der Fohi der Chinesen ist offenbar Noah. Von ihm sagen die chinesischen Bücher, daß seine Mutter mit einem Regenbogen umgeben gewesen. Der Osiris der Ägypter wird von seinem Bruder Xgph0» verfolgt und in einem Kasten ins Meer geworfen; er wird auf einem Blatte im Meer schwimmend abgebildet. Das Schicksal des chaldäischen Xisnthrus wird von dem Geschichtschreiber Berösns gerade so dargestellt, wie das Geschick Noahs, und der Fischgott Oannes bei den Babyloniern ist wieder niemand, als der Noah der Bibel. Dies Andenken an die Sündflut und die Geschichte Noahs hat Humboldt in der ueuesteu Zeit selbst bei den Mexikanern gefunden, und wie sehr auch die Geschichte der Bibel unter den erfinderischen Griechen und Römern umgestaltet wurde, so deutet die Abbildung des Dyonisos wie die des Janus, der in die Vergangenheit und Zukunft sieht, dessen Frau ein Fischweib, und dessen Attribut (Wahrzeichen) ein Schisssteil oder Delphiu ist, ebenfalls auf Noah hin.
3. Noah erhielt nach der Sündflut die Erlaubnis, die Tiere ebenso zu essen, wie die Pflanzenspeisen. „Furcht und Schrecken sei vor euch über alle Tiere der Erde, sprach Gott, und über alle Vögel des Himmels, samt allem, was sich reget auf Erden, alle Fische des Meeres, tu eure Hand sind sie gegeben. Und alles, was sich reget und lebet, sei euch zur Speise: wie das grüne Krant, gebe ich euch alles. Nur Fleisch mit seinem Blute sollet ihr nicht essen" (1. Mos. 9, 2). Nebst diesem Verbote gab Gott dem Noah nach der Überlieferung der jüdischen Lehrer noch sechs andere Bestimmungen, welche die Rabbinen zum Unterschiede vom Mosaischen Gesetze die Gebote Noahs nannten. Diese sieben Noachischen Gebote sind: 1) Nicht ohne Obrigkeit leben; 2) sich der Gotteslästerung, sowie 3) des Götzendienstes enthalten; 4) fein Blut vergießen; 5) nicht rauben; 6) fein Blut und nichts Ersticktes oder vom Wilde Geraubtes essen, und 7) seine Ehe unter Verwandten eingehen. So ist Noah nicht nur der zweite Stammvater des menschlichen Geschlechtes, sondern auch der erste Stifter und Begründer der menschlichen Gesellschaft.
8 8.
Verbreitung der Menschen auf der Erde.
Noah aber stieg vom Gebirge nach Armenien herab und wandte sich gegen Sonnenaufgang, bis er an den Fluß Euphrat in die große Ebene Sennaär kam, von rvo er sich wahrscheinlich nach China wandte. Er starb in einem Alter von 950 Jahren, 350 Jahre nach der Sündflut. Die Nachkommen seiner drei Söhne, von denen Sem und Japhet um ihrer Scham-
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Extrahierte Personennamen: Humboldt
Extrahierte Ortsnamen: Cham Persien Berg_Arlrat Noahs Noahs Noahs China
20 Das Altertum.
ist bei den einzelnen Völkern allerdings verschieden; aber gerade diese Verschiedenartigkeit ist der schlagendste Beweis, daß das Gottesbewußtsein angeboren ist. Denn die Nichtübereinstimmung der Völker in ihrer Vorstellung von Gott zeigt, daß der Mensch irren kann; daß aber alle Völker an Gott glauben, obgleich sie in der Vorstellung von Gott voneinander abweichen, ist gerade der Beweis, daß man darin sich nicht irren sann, daß es einen Gott gibt, und daß wir uns gedrungen fühlen, daran zu glauben. Dies leuchtete den Heiden ein, und der heidnische Schriftsteller Plutarch schreibt: „Wenn man auf der Erde herumwandert, so kann man Städte finden ohne Mauern, ohne Wissenschaften, ohne Könige, ohne Schätze und ohne Geld. Eine Stadt aber, die leer wäre an Tempeln und Göttern, die nicht betete und opferte, um Gutthaten zu erlangen, hat noch niemand gesehen. Ich glaube eher, daß eine Stadt
ohne Fundament erbaut werden könnte, als daß eine Bürgerschaft sich
bilden oder bestehen könnte, wenn sie den Glauben an die Götter verloren hat." Mit diesem Gefühle, daß es einen Gott gibt, verbindet sich im Menschen zugleich das Gefühl, daß er von Gott zur Rechenschaft gezogen wird, und daß nicht alles recht ist, was er thut. Das ist das Gewissen. Es ist die natürliche Stimme, die den Menschen Gott fürchten heißt. Diese Gefühle werden unterstützt durch das Licht der
natürlichen Erkenntnis, welches den Schöpfer ans seinen Werken erkennen läßt. So beruht die Religion auf Gefühl und Erkenntnis zugleich. Insofern biefelbe aber auf den Willen wirkt, gestaltet sie sich zur äußeren Gottesverehrung, weshalb wir nirgenbs eine Religion ohne einen Kult (Gottesbienst) finben. Dem treuen Festhalten an biesem Kulte würde ein besonberer Segen zugeschrieben, und schon Xenöphön rühmt: „Die Städte und Völker, die dem Dienste der Götter am
treuesten geblieben, waren immer die bauerhaftesten und weisesten, sowie die frömmsten Jahrhunberte sich auch am meisten durch ihr Genie auszeichneten."
2. Das Kastenwesen trug anfänglich nichts Gehässiges an sich. Es war ein naturgemäßer Zustaub bei Völkern, die sich erst zu entwickeln begannen. Es verstanb sich von selbst, daß zum Gottesbienste eine genaue Kenntnis der heiligen Gebräuche und der Religionsvorschrifteu erforberlich war, und daß so der Dienst im Heiligtume zu einer eigenen Beschäftigung würde. Die Weihe, welche die Religion schon in der Urzeit ihren Dienern verlieh, und das zurückgezogene, durch die vielen Gesetzesvorschriften erschwerte Leben der Priester unterschieb diese ohnehin vom Volke. So war es begreiflich, daß bei den Tempelbienern der Dienst erblich würde. Ebenso begreiflich ist, daß die Krieger einen eigenen Stand bildeten, da es nicht jebern gegeben war, die Waffen zu führen und bestänbig zur Abwehr wie zum Angriffe gerüstet zu sein. Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Urvölker brachten es ferner mit sich, daß die Kinder das Geschäft des Vaters trieben, und daß auch die Hanb-werker in den Familien erblich wurden. Gehässig wurde das Kastenwesen erst dann, als das Recht der Eroberung eintrat, die Eingebornen des Eigentumsrechts sammt dem Eigentume verlustig wurden und die menschliche Selbstsucht auf die Glieder der niedere» Kasten als auf geringere Geschöpfe herabblickte. Eine entartete Religion heiligte alsdann diese Unterschiede und verhinderte den Übertritt von einer Kaste in die andere. So wurde das Kastenwesen aller gedeihlichen Entwickelung hinderlich und die Ursache am geistigen Stillstände der Alten Welt.
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62 Das Altertum.
dessen Reden, daß die Richter ihre Urteile in ein Buch einzutragen pflegten (job 13, 26; 31, 35). Wenn nun die Überlieferungen der Griechen und der Römer auf Phönizien hinweisen, so ist damit nur gesagt, daß sie die Buchstabenschrift von Phöniziern empfingen. Der Erfinder soll Thaut (Thot) gewesen sein. Der Phönizier Kadmns aber, welcher Theben erbaute, soll die Buchstabenschrift nach Griechenland gebracht haben Das Kadmische Alphabet hatte übrigens nur 16 Buchstaben, und fehlten ihm $' /- h/ U' v und w. Diese Zeichen sind ältern Ursprungs und beweisen daß die Hebräer eine ausgebildetere Schrift besaßen, und daß die Phönizier noch in den Zeiten nach Kadmns Schriftzeichen aus dem hebräischen Alphabet annahmen. 1
5. Der Molochdienst ist der abscheulichste Dienst, der unter iraend einem entarteten Volke zu finden ist. Moloch (König) ist dasselbe was Bel (Herr). Allein wie man unter Bel den guten Gott verehrte so wurde im Moloch die zerstörende Naturkraft gefürchtet hauptsächlich das allesverzehrende Feuer. Der Molochdienst kommt nicht in der Urzeit des menschlichen Geschlechtes vor, und auch nicht bet den Urvölkern Die Phönizier lernten ihn von den Kanaanitern kennen Man stellte den Moloch unter der Gestalt eines Menschen, der die Arme ausstreckt mit einem Stierhaupte dar, das mit einer Krone geziert war. Ein solches Götzenbild aus Erz oder Thon war inwendig hohl, und in die ausgestreckten Arme wnrden die zum Opfer bestimmten Kinder gelegt. Alsdann wurde das Götzenbild inwendig geheizt. Während des Öpferdienstes wurde das Schreien und Wimmern der Kinder von den Priestern mit geräuschvollen Tonwerkzeugen übertäubt. Die Eltern, die bei dieser abscheulichen Handlung zugegen waren, durften keine Thräne vergießen.
8 24.
Die Larthager.
58) Sicilien gegenüber, in Libyen, dem Gebiete des heutigen Tunis, lag Cambe, eine sidonische Kolonie. Hierher zog sich Elissa, auch Dido genannt, die Schwester des lyrischen Königs Pygmalion, der ihren Mann hatte umbringen lassen, weil er nach dessen Schätzen lüstern war. Mit ihr gingen viele Adelige und viele Priester, so daß die unbedeutende Kolonie, durch diesen Zuzug verstärkt, bald alle Schwesterstädte an Macht und Reichtum übertraf. Anfangs waren die Tyrier den libyschen Häuptlingen, von denen sie die Erlaubnis zur Niederlassung erhalten hatten, zinspslichtig; später machten sie sich unabhängig. Von den Libyern wanderten viele nach Karthago, in die Neustadt, wie die erweiterte Stadt jetzt genannt wurde, ein, und die umliegende Gegend wnrde sogar den neuen Ankömmlingen unterworfen. Mit den schon früher bestehenden alt-phönizischen Städten Utica, Hadrumetum, Leptis u. a. traten die Karthager in das Verhältnis der Buudesgenossenschast, was ihren Einfluß ebenfalls wieder stärkte. Ihre bürgerliche Verfassung war die ihres Mutterlandes. Es war ein Staat, an dessen Spitze jährliche Snsseten
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144 Das Altertum.
mehr Stimmen hatten. Die letzte Klasse umfaßte nur eine Centurie, hatte al|o auch nur eine Stimme. Es war also dem Erbadel h'er dre Steuerkraft und das Besitztum gegenübergestellt und danach rb/ez?.asm'. 'r au$ die bürgerlichen Rechte bemessen. Wie das m J m 30 Kurien eingeteilt war und sich ohne
■ ?ons -I ^urlatkomrtren veyammelte, so versammelten sich die Snrrvs m emgetellten Plebejer in Tribuskomitieu unter dem -Vorsitze der Volkstribunen. Die ganze Bürgerschaft trat aber in den Leitturtenfonttheit zusammen. In ihnen wurden die höchsten Beamten gewaht, über Krreg und Frieden entschieden und über die vom Senate vorgelegten Gesetze abgestimmt.
2. Die Konsuln hatten die Abzeichen der königlichen Gewalt. Sie Stc' Könige, ein weißes mit einem Purpurstreifen verbrämtes
V°Sa praetexta) und es gingen ihnen zwölf Liktoren (Ge-nchtsdlener) vor, welche Rutenbündel (fasces) trugen, in denen, wenn sie aiißerhalb der Stadt waren, Beile staken, zum Zeichen, daß die Konsuln Gewalt über Leben und Tod hatten. Wenn sie das Amt niedergelegt hatten, so hießen sie Konsularen und wurden zu den vornehmsten Ämtern verwendet. Später gingen sie gewöhnlich als Prokonsuln, d. i. als Stellvertreter der Konsuln, in die Provinzen. Die Konsum waren nicht nur die obersten Verwaltungsbeamten, sondern auch me Dberselicherren. Dem Diktator gingen 24 Liktoren voraus, er durfte stalten nicht verlassen, und wenn er nicht beim Heere war, kein Pferd besteigen, damit er sich nicht herrschsüchtig zeige. Der Reitergeneral wurde von sechs Liktoren begleitet, wenn er öffentlich auftrat. Alle höheren beamten hatten als Auszeichnung bei allen öffentlichen Handlungen noch einen Sessel von Elfenbein (den kurulischen Sessel), die Senatoren und Ritter zuerst eiserne, dann goldene Ringe.
8 53.
Die luligtoit der Römer.
147) Mit dem bürgerlichen Leben war das religiöse Leben unzertrennlich verbunden. Durch die Religion war es dem Nnma Pompilius gelungen, die Sitten der rohen Römer zu mildern, ihnen Liebe zum Vaterland einzuflößen und den Sinn für Recht und Gerechtigkeit zu wecken und zu uähren, so daß wir nicht mehr, wie bei den Griechen, nur große Männer antreffen, daß man vielmehr sagen kann: die Römer waren ein großes Volk. Keine Staatshandlung wurde vorgenommen ohne vorhergegangene gottesdienstliche Handlung. Die Gottheiten, welche die Römer verehrten, waren, wie die griechischen, personifizierte Naturkräfte. Vor allem war es der Dienst der drei großen Götter Jupiter, Juu.s und Minerva, sowie der Dienst des Mars und der Vesta, welche gepflegt wurden. Der Staat, wie die Familien, die Tribus und die Kurien, hatten ihre besonderen Gottheiten und ihre eigenen Priester. Aus dem Vogelfluge (Angnrinm) und
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272 Die mittlere Zeit.
Ihre rotgelbe Farbe wurde durch eine Art von Seife noch erhöht und ihre Fülle durch eine Pomade aus Talg oder Butter und Buchenasche befördert. Die Männer, welche es wachsen ließen wie das Frauengeschlecht, banden es rückwärts gegen den Scheitel in einen Schopf oder Knoten zusammen; der Bart wurde abgeschoren. Sie trugen einen einfachen Mantel, oft nur ein Tierfell, die Weiber dagegen Kleider von selbstgewobener Leinwand. Die Nahrungsmittel waren: Fleisch, geronnene Milch, Butter und Käse, Vogeleier, Fische, Haferbrei, Bier und eingetauschter Wein, den man gewöhnlich aus Bufselhörnern trank, die oft' mit Silber beschlagen waren. Religiöse Feste, Hochzeiten, Leichenfeierlichkeiten, Volksberatungen waren mit Trinkgelagen verbunden, bei denen man unter Begleitung musikalischer Instrumente sang. Bei solchen Gelagen kam es sehr oft zu Raufereien.
8 99.
Kcltgiott der Germanen. Ständeunterschied. Mrgerliche Verfassung.
279) Die Religion der Germanen war ursprünglich Naturdienst, wie die aller asiatischen Völker. Man verehrte vorerst die Naturkräfte in ihrem geheimnisvollen Walten und dachte sich dieselben dann bald als persönliche göttliche Wesen. Der oberste Gott ist Odin oder Wodan, von dem die Äsen (Göttersöhne) abstammen. Neben den Äsen gibt es noch Halbgötter. Der vornehmste ist Tnisko, der erdgeborne Gott, und dessen Sohn Mannus, der Stammvater aller Menschen. Wodan thront zu Asgard, der Götterheimat, wo die Walhalla ist, die Himmelsburg, in der nach ihrem Tode die gefallenen Helden von edlem Geschlecht sich erfreuen. Auch an wohlgesinnte Dämonen wie an neckende und schadende Plagegeister glaubte man. Die heiligen Orte der Germanen waren Tempel, insbesondere aber geheiligte Haine und Opferplätze im Freien. Leider wurden auch Menschenopfer dargebracht, wobei namentlich viele Kriegsgefangene geschlachtet wurden. Die Priester standen in großem Ansehen. Sie waren neben den Königen die höchsten Diener des Staates und die Erforscher des göttlichen Willens in allen öffentlichen Angelegenheiten. Als solche waren sie auch zugleich die Richter und Vollstrecker der Todesurteile bei Staatsverrätern und die Bewahrer der Nationalfeldzeichen. Es gab auch Priesterinnen, weissagende Frauen, die aus den Eingeweiden der Opfertiere, aus dem Blute der getöteten Gefangenen, aus dem Geräusche der Wellen 2c. prophezeiten.
280) Die politische Verfassung beruhte ganz auf dem Grundbesitze, der allein rechtsfähig machte. Im Vollgenuß der Rechte befanden sich die Freien, welche ein unveräußerliches Grund-
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274 Die mittlere Zeit.
heim) schied. Aus dem Lichtreiche fielen Funken, aus denen die Götter Riesen und Zwerge entstanden. Unter den zwölf Hauptgöttern waren: Odin oder Wodan, der Göttervater, der Herr und König des Himmels; Thor, der Donnerer; Baldur, der Gott der Schönheit und der Güte; Niordur, der Gott des Luftreichs; Freyr, der Gott der Sonne; Tyr, der Gott des Krieges; Braga, der Goit der Dichtkunst und des Gesanges. Außer den zwölf Äsen gab es noch mehr Götter und Göttinnen (Asinnen); Same oder Lose, der Gott der Bosheit; Frigga, die Gattin Wodans, die Göttin der Hausfrauen; Iduna die Gattin Bragas, die Göttin der Jugend und der Unsterblichkeit; Freya, die Liebesgöttin; Hela, die Totengöttin. Frigga galt als Hertha für die Mutter Erde und wurde hauptsächlich in geheimnisvoller Weise auf der Insel Rügen verehrt. Die Geister waren Nor-nen (Schicksalsgöttinnen), Walküren (Totenwählerinnen, t>. i. welche die auserwählten, die auf dem Schlachtfelde sterben sollten) und Alfen oder Elfen (belebte Naturgegenstände). Die Walhalla (Schlachtenhalle, eine Walstatt = Schlachtfeld) nimmt nur die Edlen auf, die im Kampfe gefallen sind; die an Krankheit und Altersschwäche sterben, führen in Hel heim bei Hela ein trauriges Leben; die Lügner aber und die Diebe werden in Niflheim von Schlangengift bespritzt. Der Glaube an böse Geister, die dem Menschen schaden können, bot die Grundlage zum späteren Hemtwahn, der demnach als nicht ausgerotteter heidnischer Überrest erscheint.
2. Der Ständeunterschied wurde bei den Germanen in der strengsten Weise aufrechterhalten. Der grundbesitzende Freie, d. h. der, welcher ein Alod (al-lot — ganzes Gnt) besaß, durste allein an den Volksversammlungen teilnehmen. Das ganze Grundbesitztum war gewissermaßen Staatseigentum, welches unter die Edliuge oder Adaliuge verteilt war. Erben konnte es nur ein Sohn; war' kein Sohn vorhanden, so fiel es an den nächsten männlichen Verwandten (Schwerlmagen). Die Kuukel konnte nicht erben; die Spillmagen (weibliche Verwandte) erbten nur bewegliches Eigentum, wozu aber die Sklaven gehörten. Die Priester durften nur aus den Adeligen genommen werden. Den nachgebornen Söhnen der Freien kam, solange sie keinen Grundbesitz hatten, nicht einmal das Recht zu, in eines andern Sache als Zeugen aufzutreten. Oft gab ihnen das Familienhaupt ein Stück von dem eigenen Grundbesitz als Fe-odt (Zinsgut, feudum). Meistens aber zogen die nachgebornen Söhne auf Eroberungszüge aus, um Land zu erhalten. Der Vater gab ihnen hierzu ein Gefolge mit, teils freigelassene Sklaven als Waffengenossen, teils leibeigene Sklaven als Schildknechte. Aus diesen nachgebornen freien Söhnen und den Freigelassenen, welche in solcher Weise zu Land kamen, entstand der niedere Adel. Doch behaupteten die Ur fr eien immer den Vorzug vor den Freigelassenen und nannten sich die Jmmerfreien (Semperfreien). Wurden Landstriche erobert, so behielt man in der Regel den dritten Teil an Land und Leuten als Eigentum. Solche Kriegsgefangene wurden Schalke (Leibeigene). Denen man das Land ließ, die mußten den Herren in der Regel drei Tage in der Woche arbeiten. Diese Liteit waren sehr gedrückt ; sie waren Hörige und rechtlos. Später verarmten wieder viele aus dem niedern Adel und mußten teils ein Feodt (Sehen) von einem hohen Adeligen annehmen und Vasallendienste dafür thun, teils wurden sie zu den Liten herabgedrückt. Als die Eroberungszüge aufhörten, sonnten die freigelassenen Sklaven auch kein Land mehr erhalten, es wäre
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80 Das Altertum
8 31.
Die griechische Götterlehre. Die ältesten Sagen.
78) Die griechische Götterlehre kann natürlich nur eine Fa-bellehre (Mythologie) sein. Doch erkennen wir in den Fabeln deutliche Spuren der Offenbarung. Im Anfange war die ganze Natur eine gestaltlose Masse (Chaos), aus der die Erde (®äa) und die Unterwelt (Tartaros) emporstieg. Der Sohn der Erde war der Himmel (Uranos). Von Himmel und Erde stammen die Zeit (Ehronos) und eine Menge von Ungeheuern (L-itänen, Cyklopen) ab, welche an die Niesen erinnern, denen wir in der heiligen Schrift in den ältesten Leiten des menschlichen Geschlechtes begegnen. Himmel und Erde sind die Stammeltern der übrigen Gottheiten. Außer Chrouos verehrte man noch 16 Götter der oberen Ordnung, nebst einer großen Anzahl von Göttern untergeordneten Ranges. In die Herrschaft der Welt teilten sich Zeus (Jupiter), der, als Vater der Götter und der Menschen, Himmel und Erde, Poseidon, der das Meer, und Pluto, der die Unterwelt beherrschte. Die griechischen Götter waren in Personen umgewandelte Ideen (wie z. B. Chro-nos, der seine eigenen Kinder frißt, d. H. die Zeit, welche alle Menschen dahinrafft), oder es waren Naturkräfte, welche persönlich gedacht wurden, wie z. B. die Fruchtbarkeit des Erdbodens als Kybele (Allnährerin) erscheint. Auch menschliche Leidenschaften wurden personifiziert; Kunst, Wissenschaft. Handel und Wandel, Leben und Sterben, das häusliche wie das öffentliche Leben wurden unter den schütz besonderer Götter gestellt. Den einzelnen Gottheiten gab man Attribute (beigefügte Sinnbilder), an denen man sie erkannte. So z. B. ward Zeus mit dem Blitze, Poseidon mit dem Dreizack in der Hand abgebildet. Den Göttern errichtete man Tempel und Altäre; sie hatten zu ihrem Dienste Priester und Priesterinnen; ihnen zu Ehren feierte man Feste und heiligte ihnen gewisse Tage.
79) Religiöse Anstalten ganz eigentümlicher Art waren die Orakel. Man glaubte nämlich, daß die Götter auf die Erde herunterstiegen und in geheimnisvoller Weise, welche nur von den Priestern gedeutet werden könne, Ratschläge erteilten. Ein solcher geheimnisvoller Rat nun hieß Gotteranssprnch (Orakel), und bald hieß der Ort, wo solche Aussprüche erteilt wurden, ebenfalls so. Die berühmtesten Orakel waren zu Delphi, Do-döna, Delos und bei dem Tempel des Jupiter Ammon. An diesen Orten waren prachtvolle Heiligtümer, geschmückt mit reichen Weihegeschenken, welche die Rat- und Hilfesuchenden mit
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§ 53. Die Religion der Römer. 145
den Eingeweiden der Opfertiere (Harnspicium) suchte man den Willen der Gottheit zu erforschen.
148) Nicht nur zur Ehre einzelner Gottheiten wurden gewisse Tage festlich begangen, sondern auch einzelne vaterländische Ereignisse, und zwar sowohl unglückliche als glückliche, wurden gefeiert. So z. B. wurde das Andenken an den Raub der Sabinerinnen gefeiert, die Vertreibuug der Könige, der Tag, an dem Koriolan seine Truppen von Rom zurückzog, der Tag der Niederlage bei Allia rc. Es gab ganze und halbe Feiertage; außerdem ordneten die Magistrate noch jedes Jahr gewisse Feft-tage (in, B. die lateinischen Ferien, welche dem Jupiter, als dem >Lchuhgott des lateinischen Städtebnndes, geheiligt waren. An diesen Tagen wurden Opfer gebracht, Gastmähler veranstaltet, öffentliche Spiele abgehalten.
Anmerkungen.
1. Die etruskische und lateinische Religion waren sehr reich an Gottheiten. Allein die Ähnlichkeit mit den Gottheiten der Griechen, unter denen man sich ursprünglich auch diejenigen Kräfte dachte, welche l», dem Natur- und Völkerleben am wirksamsten waren, machte, daß die griechische Mythologie die etruskische verdrängte, als das griechische Wesen Eingang fand. Der Kriegsgott Mars, der als solcher der Schiik-gott vou Rom war, ist eigentlich der altlateiuische Gott des Frühlings (Marz), dessen aufschießende Halme und Zweige als Massen galten, womit er den Winter besiegte. Vesta ist das Siiiubild des ewig Lebenden, insbesondere des Feuers in der Natur, dann auch des Herdfeuers. Deshalb ist Vesta auch die Schutzgöttiu des .ftauses. Zu den alten lateinischen und etruskischen Göttern gehört vor alleu Janus, der Gott alles Anfangs. 91 n nt a Pompilins baute ihm einen Tempel. Vielleicht war es aber nur eilt Thor, durch welches das römische Knegsheer auszog und das so lange offen gelassen wurde, bis das Heer wieder heimgekehrt war. Der Januar, der erste Mouat des wahres, hat deu Namen von Janus. Da er das Jahr anfing, blickte er gewissermaßen noch in das alte zurück, weshalb Janus mit zwei Gesichtern abgebildet wird. Seine Priester, die den Tempel oder das Thor öffneten und schlossen, und bei Friedensverträgen die heiligen Gebräuche »errichteten, hießen Fetiales. Die Knriouen waren die Priester der Götter der einzelnen Kurien, die Flamines die Priester der oberen Lotter. Den Flamines sowohl als den Knrionen ging ein Liktor vor. m le llnte5 aticn Priestern hieß Oberpriester (pontisex maximus). Brückenbauer (pontifices) hießen aber die Priester, weil sie die Snb-l ms che Brücke, die über die Tiber führte, bauen und erhalten mußten, um an beiden Ufern der Tiber und auf der Tiber selbst opfern zu können. Die Auguren waren die Andeuter des Vogelfluges, die Haruspices A Weissager aus den Eingeweiden. Die größte Ehre genossen die Best aitnnert, die das heilige Feuer der Vesta zu bewahren hatten, deren ej„8uer[ vxt^' ^ann sechs waren. Ihr Dienst dauerte von 10—40 Jahren, wahrend welcher Zeit sie Jungfrauen bleiben mußten. Die sich dagegen Rolfus, Weltgeschichte. 3. Aufl. 7
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§ 31. Die griechische Götterlehre. Die ältesten Sagen. 81
sich brachten. Doch ließ der dunkle und unverständliche Sinn der Ansprüche oft eine doppelte Dentnng zu, und uicht immer knüpfte sich Glück an die Befolgung eines solchen Rates.
Anmerkungen.
1. Die Götterlehre der Griechen kennt 17 Götter der oberen Ordnung. Da die Mythologie der Römer vielfach mit der der Griechen übereinstimmt , so setzen wir einer jeden griechischen Gottheit den lateinischen Namen bei. Es sind folgende: Zeus (Jupiter); Poseidon (Neptun); Pluto mit seiner Gemahlin Proserpina; Chronos; Kybele (Rhea); Hera (Juno), die Gattin des Zeus; Phöbus (Apollo), der Sonnengott, zugleich der Gott der Dichtkunst und des Gesanges; Artemis (Diana), die Göttin der Jagd; Pallas Athene (Minerva), die Göttin der Weisheit; Ares (Mars), der Gott des Krieges; Ap hrodn e (Venns), die Göttin der Liebe, und deren Gemahl Hephüstos (Vulkan), der Gott des Feuers und der Künste, durch welche das Metall verarbeitet wird; Hermes (Merkur), der Gott des Haudels und der Beschützer der Diebe, der Götterbote mit dem Heroldsstab, der die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt führte; Dionysos (Bacchus), der Weingott; Demeter (Ceres), die Göttin des Ackerbaues; Hestla (Vesta), die Göttin des Herdes und des häuslichen Glücks. Aus den niederen Göttern nennen wir: Selene (Luna), die Mondgöttin; Eos (Aurora), die Morgenröte; Styx (Nor), die Nacht; Iris (Regenbogen), die Dienerin der Juno; Äolus, der Gott des Windes; Pan, der Gott des Hirtenlebens und der Wälder; Themis, die Göttin der Gerechtigkeit; Asklepios, der Gott der Heilkunde; Plutus, der Gott des Reichtums. Als die Urbilder übermenschlicher Stärke galten die Titanen und Giganten. Die Titanen waren Riesen, welche sich wider ihren Vater Uranos empörten und darnm in den Tartarus, deu Strasort der Verdammten, gestürzt wurdeu. Die Gig aut e n wollten den Himmel stürmen und wälzten deshalb die Berge Ossa, Ota, Pelion 2c. anfeinander, wurden aber von Zeus ebenfalls in den Tartarus gestürzt. Die Tritonen dachte man sich als männliche und die Sirenen als weibliche Meergottheiteu, halb Mensch und halb Fisch. Die Nymphen waren Mittelwesen zwischen den Göttern und den Menschen, welchen einzelne Stätten geweiht waren. Es gab Oreaden (Bergnymphen), Najäden (Wassernymphen), Dryaden (Baumnymphen). Faunen und Satyrn waren Waldgötter in halb menschlicher, halb tierischer Gestalt. Wahrscheinlich gingen sie aus der Erinnerung an den Urzustand hervor, in dem die Menschen mit den Fellen der Tiere sich bekleideten. Die schönen Künste und Geistesbeschäftigungen stellte man unter den Schutz der neun Musen. Es war Klio für die Geschichte, Kalliope für das Heldengedicht, Melpomene für das Trauerspiel, Thalia für das Lustspiel, Eräto für Tanz und Musik, Euterpe für das Flötenspiel, Terpsichöre für die Zither, Polyhymnla für den Gesang und Urania für die Sternkunde.
Die Charitinnen (Grazien) waren die Göttinnen der Anmnt. Sie hießen Aglaja, Thalia und Euphrosfue. Ebenso gab es drei Mören (Parzen) oder Schicksalsgöttinnen. Ihnen war das Schicksal und die Lebensdauer der Sterblichen anvertraut. Klotho knüpfte den Lebensfaden an, Lachesis spann ihn weiter und Atrüpos schnitt ihn ab. Die Er innren (Enmeniden, Furien) waren Straf- und Rache-
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